DOK Leipzig hat die Wettbewerbsfilme der 67. Ausgabe bekanntgegeben. Mit der Nominierung der Kurz- und Langfilme für die vier Wettbewerbe ist das Filmprogramm nun komplett. Insgesamt präsentiert das Festival 209 Filme und XR-Arbeiten aus 55 Ländern.
„Die Filme von DOK Leipzig 2024 sind schwer auf einen Nenner zu bringen – und das ist auch gut so“, so Festivalleiter Christoph Terhechte. „Es sind Zeugnisse einer vielfältigen und vielschichtigen Welt. Viele von ihnen verweisen auf Alternativen zum Status quo. Sie machen Hoffnung. Sie verdrängen nicht die drohende Zerstörung unserer Lebensgrundlagen, aber sie beschäftigen sich hingebungsvoll mit dem, was wir bewahren wollen.“
Um die Goldenen und Silbernen Tauben konkurrieren in diesem Jahr 73 lange und kurze Filme, darunter 33 Weltpremieren.
Der Internationale Wettbewerb Dokumentarfilm präsentiert acht Langfilme aus Argentinien, Frankreich, Haiti, der Dominikanischen Republik, Polen, der Ukraine, der Schweiz, Italien, Spanien, Mexiko, den USA und Kolumbien. Mit dabei ist der neue Film der renommierten französischen Regisseurin Dominique Cabrera, der das Festival in diesem Jahr eine Hommage widmet. In „La Jetée, the Fifth Shot“ erkennt sich ihr Cousin in einer Einstellung in Chris Markers Filmklassiker „La Jetée“ (1962) wieder – der Ausgangspunkt für einen Rückblick in Cabreras Familiengeschichte. Der Großteil der langen Wettbewerbsbeiträge stammt von aufstrebenden Regietalenten. Die Filme erzählen von einer Frau, die allen Widrigkeiten zum Trotz ihr kleines Stück Land in Kyjiw bewirtschaftet („Flowers of Ukraine“, R: Adelina Borets), zeigen Genderidentität und soziale Herkunft als Facetten des Alltags („Luciano“, R: Manuel Besedovsky) oder sind dem Vermächtnis eines katalanischen Architekten gewidmet („Miralles“, R: Maria Mauti). Sie beobachten den Goldabbau in Venezuela („Morichales“, R: Chris Gude) und den Versuch, die eigene Großmutter durch das Arrangieren von Erinnerungsobjekten zu verstehen („Things of a Lifetime, Intimate Archeological Exercises“, R: Céline Ségalini), setzen sich mit dem Massenmord an der haitianischen Bevölkerung in der Dominikanischen Republik 1937 auseinander („Twice into Oblivion“, R: Pierre Michel Jean) und hinterfragen die Auswirkungen eines US-Satellitenkommunikationssystems in Sizilien auf die dort lebenden Menschen („Valentina and the MUOSters“, R: Francesca Scalisi).
Die für je eine Goldene und eine Silberne Taube nominierten elf Kurzfilme des Wettbewerbs bieten eine Bandbreite an kreativen Blickwinkeln, etwa auf Sehnsüchte nach Heimat und Akzeptanz, unseren Umgang mit ‚der Natur‘, die koloniale Vergangenheit oder die Kulturgeschichte der Geburtstagstorte (siehe Filmliste).
Im Internationalen Wettbewerb Animationsfilm sind fünf Filme für die 2023 neu eingeführte Goldene Taube Langfilm nominiert. „Pelikan Blue“ (R: László Csáki) erzählt die auf wahren Ereignissen beruhende Geschichte dreier Freunde in Ungarn, die nach der Wende aus Geldnot Zugtickets fälschen, um in den Westen reisen zu können. „Olivia & the Clouds“ (R: Tomás Pichardo Espaillat) visualisiert durch eine Vielfalt an künstlerischen Techniken die Komplexität zwischenmenschlicher Beziehungen. In „Ghost Cat Anzu“ (R: Yôko Kuno, Nobuhiro Yamashita) schließt eine Elfjährige Freundschaft mit einer sprechenden Riesenkatze und wird schließlich vom Gott der Armut in die Hölle geführt, „Animalia Paradoxa“ (R: Niles Atallah) folgt einem Mischwesen aus Mensch und Amphibie auf der Suche nach Wasser in einer postapokalyptischen Welt. Heinrich Sabl widmet sich mit seinem Film „Memory Hotel“, an dem er mehr als 20 Jahre gearbeitet hat, der deutsch-sowjetischen Schuld- und Bewältigungsgeschichte nach dem Zweiten Weltkrieg.
Die 20 Kurzfilme im Wettbewerb bieten ebenfalls faszinierende künstlerische Ansätze, kreative Handschriften und bewegende Erzählungen, unter anderem über Körper und damit verbundene Machtstrukturen oder das Verhältnis von Mensch und Maschine (siehe Filmliste).
Der Deutsche Wettbewerb versammelt neun lange Dokumentarfilme, allesamt Weltpremieren. Neben Thomas Riedelsheimer („Tracing Light“, Eröffnungsfilm 2024) kehrt auch Regisseur Daniel Abma mit seinem neuen Film zum Festival zurück. „Im Prinzip Familie“ beobachtet Jugendliche in einer sozialpädagogischen Wohngruppe und die Beziehung zu ihren Betreuer*innen. „Lichter der Straße“ (R: Anna Friedrich) zeigt, was nomadisches Leben in Deutschland bedeutet. „Barbara Morgenstern und die Liebe zur Sache“ (R: Sabine Herpich) begleitet die Sängerin und Komponistin bei der Produktion ihres jüngsten Albums. In „Spielerinnen“ kehrt Aysun Bademsoy zu ihren früheren Protagonistinnen, deutsch-türkischen Fußballerinnen in Berlin, zurück. „Tarantism Revisited“ (R: Anja Dreschke, Michaela Schäuble) und „Sonnenstadt“ (R: Kristina Shtubert) betrachten verschiedene Formen von Religion und Spiritualität. „Moria Six“ (R: Jennifer Mallmann) setzt sich mit der EU-Migrationspolitik durch den Rückblick auf den Brand im Geflüchtetenlager auf Lesbos auseinander. Und in „Truth or Dare“ (R: Maja Classen) erkunden die Protatognist*innen sexpositive Begegnungen und sprechen über Lust und persönliche Grenzen.
Die zehn deutschen Kurzfilme reflektieren (dys)funktionale Familienverhältnisse, die Fähigkeiten von Technologie und Algorithmen, die Einschreibung von Geschichte in Gebäude und Denkmäler oder die erste Mallorcareise von DDR-Bürger*innen nach der Wende (siehe Filmliste).
Im Publikumswettbewerb entscheidet eine Jury aus fünf Vertreter*innen des Leipziger Publikums über eine Goldene Taube. Nominiert sind zehn lange Dokumentarfilme, von denen einige ihre Premieren auf renommierten internationalen Festivals feierten (etwa „Wishing on a Star“ von Peter Kerekes, „Elementary“ von Claire Simon, „Sabbath Queen“ von Sandi DuBowski und „The Battle for Laikipia“ von Daphne Matziaraki und Peter Murimi).
Weltpremiere bei DOK Leipzig hat „Naima“ von Anna Thommen über eine 46-jährige Venezolanerin, die sich nach ihrem Umzug in die Schweiz eine neue Existenz aufbauen muss. Auch „Blueberry Dreams“ von Elene Mikaberidze beobachtet einen mutigen Schritt in das Unbekannte: eine georgische Familie wagt sich an den landwirtschaftlichen Blaubeeranbau. Eine Reihe an Beiträgen erzählt von kraftvollen Unterfangen: Durch den Film „Marching in the Dark“ von Kinshuk Surjan solidarisieren sich Frauen in Indien, die nach den Suiziden ihrer Männer als Witwen in der patriarchalischen Gesellschaft benachteiligt werden. In „Once upon a Time in a Forest“ von Virpi Suutari legt sich eine Waldaktivistin mit der finnischen Forstindustrie an. Nicht zuletzt reflektieren zwei der Wettbewerbsfilme den Nahostkonflikt und erzählen von Bemühungen um Verständigung („I Shall Not Hate“ von Tal Barda und „There Was Nothing Here Before“ von Yvann Yagchi).
DOK Leipzig findet vom 28.10. bis 3.11. in Leipzig statt. Zusätzlich ist im DOK Stream täglich ein Film für 24 Stunden online verfügbar.
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