
Die 20. Ausgabe des DOK Co-Pro Market bietet 35 Dokumentarfilmprojekten aus 30 Ländern die Möglichkeit, internationale Finanzierungs- und Koproduktionspartner*innen zu finden. Mit insgesamt 366 Projekten ist die Zahl der Einreichungen in diesem Jahr erneut gestiegen.
Eine Vielzahl von Projekten der diesjährigen Auswahl nimmt Familiengeschichten in den Fokus, um über diese hinaus weitgreifende Entwicklungen in ihren Ländern zu beleuchten – von gesellschaftlichen Veränderungen bis zu Ereignissen mit tiefgreifenden soziopolitischen Folgen, etwa Bürgerkriege und militärische Konflikte. Joël Jents „Rebellion of Memory“ konzentriert sich auf eine dreiköpfige Familie aus verschiedenen Lagern des letzten bewaffneten Konflikts in Peru. In „Kafka in Belgrade“ (AT) blickt Maša Nešković auf ihren Stiefvater, den bekannten Filmemacher Goran Marković, und setzt die familiären Geflechte in Beziehung zur turbulenten Geschichte Serbiens. Drei Projekte aus Algerien bieten vielschichtige persönliche Erzählungen, die in die bewegte Geschichte des Landes eingebettet werden. Für „My Dad's a Farmer“ kehrt der Filmemacher El Kheyer Zidani nach Algerien zurück und lässt die Schwierigkeiten seiner Familie während des Bürgerkriegs in den 1990er Jahren Revue passieren. Das Motiv einer Rückkehr nach Algerien steht auch in den beiden französisch-algerischen Koproduktionen „Bitter Seed“ von Camélia Gadhgadhi (Amok Films, „Wake Up On Mars“) und „Hana, Algeria and Me“ von Assia Tamerdjent im Vordergrund.
Andere Projekte schildern Befreiungskämpfe und beschreiben unterschiedliche Formen des Widerstands gegen Unterdrückung. Auf der Suche nach neuen Wegen, um größere Zusammenhänge darzustellen, setzt Esther Vital in ihrem visuell beeindruckenden animierten Dokumentarfilm „If I Die“ Animation als dokumentarisches Mittel ein, um das Grauen in einem geheimen Folterzentrum der brasilianischen Militärdiktatur aufzudecken. Aung Naing Soes „When a Poet Goes to War“ begleitet ehemalige Pazifist*innen in Myanmar, darunter ein bekannter Dichter und Menschenrechtsaktivist. Der Film erzählt, wie die grausame Realität des Krieges die Pazifist*innen doch zu den Waffen greifen lässt, um gegen die Militärjunta zu kämpfen. Aktivismus ist ein Kernthema des Films „The Wind's Thirst“ von Alejandro Valbuena, der den Kampf der Wayuu gegen die Bedrohung durch Windkraftanlagen auf ihrem Land dokumentiert. In seiner Tonalität anders, aber nicht minder kritisch, erzählt Manuel Inacker in „The Land We Breathe“ (Restart, 2018 war „Museum of the Revolution“ auf dem Co-Pro Market vertreten) von den Bemühungen eines engagierten Trios, Dalmatien an der kroatischen Küste vor den Folgen des Massentourismus und des drohenden Klimakollapses zu schützen.
Mehrere Titel der diesjährigen Auswahl erkunden das Thema Sport unter den Aspekten von Heilung, Empowerment und Gemeinschaftsbildung. In Jacopo De Bertoldis und Petna Ndaliko Katondolos „Fists of Peace“ verwandelt der ehemalige Kindersoldat Kibomango ein verlassenes Stadion in Goma, Demokratischen Republik Kongo, in eine Boxhalle für kriegstraumatisierte Jugendliche. Kan Muftics „Blackbelts“ reflektiert Menschsein und Behinderung und lässt die Zuschauenden am Leben von Menschen teilhaben, die sich, von der Gesellschaft ausgegrenzt, dem Taekwondo zuwenden. Eine weitere ergreifende Geschichte zum Thema Sport stammt von Nupur Agrawal und Shivajee Biswanath: Ihr Projekt „Downhill Kargil“ begleitet zwei muslimische Mädchen im Teenageralter in einer abgelegenen indischen Stadt im Himalaya, die alles daran setzen, Eishockey zu spielen – inmitten der Veränderungen von Umwelt und sozialpolitischem Milieu.
Eine Reihe von Projekten befasst sich mit Musik und Gesang. Walter Fasanos „Popol Vuh: A Cosmic Journey“ arbeitet mit umfangreichem Archivmaterial und nimmt uns mit auf eine klangliche Reise mit der ikonischen deutschen Band Popol Vuh. Nona Giunashvilis „Sacred Songs” porträtiert vier Sängerinnen im Spannungsfeld zwischen Tradition, Religion und künstlerischem Ausdruck in einem georgischen Dorf. Emotionale Zeugnisse stehen im Zentrum eines anderen musikalischen Projekts: Amine Boukhris' „Solo“ erzählt eindrücklich die persönliche Geschichte von Solo Akmal, einem jungen Rapper in Tunesien, der von seiner Mutter zurückgelassen wurde, um beim IS zu leben.
Die Auswahl umfasst außerdem drei bemerkenswerte dokumentarische Serienprojekte: Daphné Leblond und Lisa Billuart-Monets „The Free Speech Rises“ (Les Films d'Ici, koproduziert von Iota Production), Rafael Valdeavellano und Nicolas Acuñas True-Crime-Serie „Letelier File“ (La Ventana Cine) und Philipp Diettrich und Sara Woldeslassies „From Here“.
Fünf vielversprechende Projekte wurden vom DOK Industry-Team bei ausgewählten Partner-Trainingsinitiativen und Filmmärkten gescoutet: Andrei Kutsilas „Letters“, Amílcar Patels „Africa AI“, Emmanuelle Mayers „Woman in White“, Kan Muftics „Blackbelts“ und Yuriy Shylovs „Entr'actes“.
Einige der Regisseur*innen und Produzent*innen, die zum diesjährigen Co-Pro Market eingeladen sind, haben ihre Projekte oder fertigen Filme bereits in der Vergangenheit bei DOK Leipzig präsentiert. Stefilm (Co-Pro Market 2017 mit „Exemplary Behaviour“, Gewinner der Goldenen Taube bei DOK Leipzig 2019) kehren mit ihrem neuen Projekt „Queerinale, Who Will Take Care of Me?“ von Matteo Castellino zum Festival zurück. Es begleitet eine Gruppe von schwulen Senioren in Rom, die einen Safe Space für LGBTQ+ Personen in schwierigen Lebenssituationen schaffen. Der US-amerikanische Filmemacher Milton Guillén (Co-Pro Market 2019 mit „On the Move“) stellt sein neues Projekt „My Skin and I“ vor, das er in Ko-Regie mit Fiona Guy Hall entwickelt. Die deutsche Filmemacherin Marita Stocker (DOK Leipzig 2019 mit „Wohin mit all der Liebe“) kehrt mit ihrem neuen Projekt „Sitting the Month“ (Eikon Media) zum Festival zurück.
Der DOK Co-Pro Market stößt auch in diesem Jahr auf großes internationales Interesses weit über Europa hinaus und begrüßt in diesem Oktober Regisseur*innen und Produzent*innen aus fünf mittel- und südamerikanischen, fünf asiatischen und fünf afrikanischen Ländern sowie aus den USA.
Der DOK Co-Pro Market 2024 findet vom 28. bis 29. Oktober in Leipzig statt, mit ergänzenden Online-Meetings am 5. November.
Das diesjährige Auswahlverfahren wurde von Jia Zhao (Filmproduzentin, Gründerin von Muyi Film und Silk Road Film Salon), Marcella Jelić (Gründerin von Split Screen) und Ümit Uludağ (Produzent und Geschäftsführer von CORSO) gemeinsam mit Brigid O'Shea (Leiterin von DAE), Guevara Namer (Koordinatorin des DOK Co-Pro Market) und Nadja Tennstedt (Direktorin von DOK Industry) durchgeführt.
Alle 35 Projekte in der Übersicht:
Africa AI | Regie: Amílcar Patel | Südafrika | KAMVA Collective
Bitter Seed | Regie: Camélia Gadhgadhi | Frankreich, Algerien | Amok Films, Libre Image
Blackbelts | Regie: Kan Muftic | Schweiz | PANIMAGE
BOOM! | Regie: Laura Plancarte | UK | The Republic of Park Royal, LP Films
Chunyu: A Death Foretold | Regie: Fan Yang | China, Kanada | Walking in the Mountains, Electric Shadow
Downhill Kargil | Regie: Nupur Agrawal, Shivajee Biswanath | Indien | AutumnWolves Media
Entr’actes | Regie: Yuriy Shylov | Ukraine | Alarm Productions
Fists of Peace | Regie: Jacopo De Bertoldi, Petna Ndaliko Katondolo | Italien, DR Kongo | AntropicA, Alkebu
The Free Speech Rises | Regie: Daphné Leblond, Lisa Billuart-Monet | Frankreich, Belgien | Les Films d’Ici , Iota Production
From Here | Regie: Philipp Diettrich, Sara Woldeslassie | Deutschland | PINKY SWEAR FILM
From Radvanka | Regie: Tomi Hazhlinsky | Ukraine | Contemporary Ukrainian Cinema
The Gary Project | Regie: Luchina Fisher | USA | Little Light Productions
The Goldfather | Regie: Decio Matos Jr. | Brasilien | CAPURI
Hana, Algeria and Me | Regie: Assia Tamerdjent | Frankreich, Algerien | Making of Films, Urubu Films
Hope is a Word | Regie: Maria Galliani Dyrvik | Norwegen, Nigeria | Smau media
If I Die | Regie: Esther Vital | Brasilien, Frankreich, Spanien | O Par Produções, Marmitafilms, Midralgar
Kafka in Belgrade (WT) | Regie: Maša Nešković | Serbien | Marienbad film
The Land We Breathe | Regie: Manuel Inacker | Kroatien, Deutschland | Restart
Left Behind | Regie: Nasib Mahamud Farah | Dänemark | Emjay Productions
Letelier File | Regie: Rafael Valdeavellano, Nicolas Acuña | Chile | La Ventana Cine
Letters | Regie: Andrei Kutsila | Polen, Deutschland | DocEdu Foundation, DOCDAYS Productions
My Dad's a Farmer | Regie: El Kheyer Zidani | Algerien, Deutschland | Z§K Production, jip Film & Verleih
My Skin and I | Regie: Milton Guillén, Fiona Guy Hall | Nicaragua, Deutschland, USA | Mayana Films, Solaris Film
not-yet-here | Regie: Giorgio Bosisio | Italien | Studio x01
Oh, Heart Don’t Be Afraid | Regie: Ana Kvichidze | Georgien, Deutschland | Moonbow Production, parabellum film
Popol Vuh: A Cosmic Journey| Regie: Walter Fasano | USA | Good ‘n Proper
Queerinale, Who Will Take Care of Me? | Regie: Matteo Castellino | Italien | Stefilm International
Rebellion of Memory | Regie: Joël Jent | Schweiz, Frankreich, Peru | Aaron Film, Les Films d’Ici, Amazona Producciones
Sacred Songs | Regie: Nona Giunashvili | Georgien | 17|07 Productions
Sitting the Month | Regie: Marita Stocker | Deutschland | eikon media
Solo | Regie: Amine Boukhris | Tunesien, Frankreich, Katar | Donia Films, Dynamo Production
Umbrellas of the Acrobats | Regie: Mukesh Subramaniam | Indien | Elsewhat
When a Poet Goes to War | Regie: Aung Naing Soe | Thailand, Hongkong | Singing Cicadas, 101fps
The Wind’s Thirst | Regie: Alejandro Valbuena | Kolumbien | Curare Films
Woman in White | Regie: Emmanuelle Mayer | Israel | Emmanuelle Mayer Films