Weite Aufnahme eines Grashügels. Im Hintergrund sind Berge angedeutet. Fünf Menschen fahren mit Mopeds den Hügel hinauf.
Landschaft und Wahn (Regie: Nicole Vögele)

Die Doc Alliance Awards 2024 wurden heute Abend in Kyjiw verliehen. Im Rahmen der feierlichen Preisverleihung von Docudays UA, dem diesjährigen Gastfestivals des Festivalnetzwerks, erhielt „Landschaft und Wahn“ von Nicole Vögele den Doc Alliance Award für den besten Langfilm. Der Preis ist mit 5.000 Euro dotiert. Der mit 3.000 Euro dotierte Doc Alliance Award für den besten Kurzfilm ging an „Crushed“ von Camille Vigny. Beide Gewinnerfilme wurden vom Festival Visions du Réel für den Netzwerkpreis nominiert. Der Kurzfilm „getty abortions“ von Franzis Kabisch erhielt eine Lobende Erwähnung der Jury. Der von DOK Leipzig nominierte Film wurde auf dem Festival 2023 bereits mit einer Goldenen Taube ausgezeichnet.

Die beiden Gewinnerfilme und die Lobende Erwähnung bestimmten drei Juror*innen mit unterschiedlichen Expertisen in der Filmbranche. Zur Doc Alliance Jury 2025 gehörten: die Programmerin und Filmkritikerin Olivia Cooper Hadjian (Cahiers du Cinéma), die Generaldelegierte der Venice International Film Critics’ Week Beatrice Fiorentino sowie der Filmemacher und Künstlerische Direktor beim Beldocs Festival Marko Grba Singh.

Nicole Vögeles kinematografischer Essay „Landschaft und Wahn“, der schon beim Filmfestival Visions du Réel den großen Preis der Jury gewann, geht den Fragen nach Vertreibung, Flucht und Gewalt nach. Im bosnisch-kroatischen Grenzgebiet bei Velika Kladuša treffen Flüchtende von heute auf Einheimische, die selber einmal Krieg und Flucht erlebt haben. Es geht um Kriegserinnerungen, die geweckt werden, um alte Narben, die aufbrechen, um existentielle Begegnungen zwischen Menschen, die im Leid verbunden sind, so unterschiedlich sie auch sind. Die Jury lobte die Filmemacherin „für ihren Mut und ihr feines Gespür für Solidarität in Kombination mit einer hypnotischen Kameraführung“. Vögele beleuchte mit einer einzigartigen, warmen Distanz die Flüchtlingskrise und entlarve dabei die Heuchelei der Weltpolitik. (Die Statements der Jury finden Sie in Originallänge am Ende der Pressemitteilung.)

„Crushed“ von Camille Vigny erzählt mit eindringlichen Metaphern von einer gewaltvollen Beziehung, in der sie sich im Alter von 18 Jahren verfing. Der präzise Dialog von Bild und Text verdichtet sich zu einem verstörenden Tagebuch. Die Jury zeichnete Camile Vigny für „ihre Kühnheit, ihr brillantes Verständnis für Filmsprache und ihre luzide Aufarbeitung eines persönlichen Traumas“ aus. „Eros und Thanatos trotzen dem natürlichen Überlebensinstinkt: zertrümmerte Autoplatten werden zur Metapher für potenziell verletzte Körper, die Gefahr zeigt ihre dunkle Faszination“.

Der Kurzfilm „getty abortions“ von Franzis Kabisch erhielt eine Lobende Erwähnung von der Jury. Der von DOK Leipzig nominierte Film wurde bei der Festivaledition des vergangenen Jahres mit der Goldenen Taube Kurzfilm des Deutschen Wettbewerbs Dokumentarfilm ausgezeichnet. In „getty abortions“ geht Franzis Kabisch der Frage nach, wie die medialen Bilder zur Abtreibung die emotionalen Skripts in unseren Köpfen beeinflussen. Die Jury hob die „sorgfältig ausgearbeitete audiovisuelle Erzählung“ des Filmes hervor, mit der die Regisseurin das wichtige Thema des „entscheidenden Einflusses der Medien auf die Art und Weise, wie wir uns selbst wahrnehmen“ angeht und darstellbar macht.

Doc Alliance unterstützt aufstrebende Talente des europäischen Dokumentarfilms. Die Aktivitäten des Netzwerks zielen darauf ab, ihre Werke sichtbarer zu machen und ihre Position als Künstler*innen, die finanzielle Unterstützung für kommende Projekte suchen, zu stärken. Teil des Netzwerks sind sieben europäische Festivals: CPH:DOX, Doclisboa, DOK Leipzig, FIDMarseille, Ji.hlava IDFF, Millennium Docs Against Gravity FF und Visions du Réel. Jedes der Doc Alliance Festivals zeigt bei seiner nächsten Ausgabe eine Auswahl der 16 nominierten Filme.

Eine Auswahl der nominierten Kurzfilme sind für zehn Tage vom 6. Juni bis 16. Juni auf dafilms.com verfügbar.

 

Zum Filmprogramm von dafilms: dafilms

Alle Infos zum Doc Alliance Award: Doc Alliance Award 

Alle Infos zum Gastfestival 2025: Docudays UA

 

Preisträgerfilme & Jurybegründungen (im englischen Original)

 

Best Feature Film

The Landscape and the Fury by Nicole Vögele

Nominiert von Visions du Réel

Fascinating view into the reality of the surroundings of a small town bordering the European Union. The nights are uncertain and mysterious, the days are full of waiting, and the seasons pass. There was a war in the past, one of the bloodiest in the last decade of the twentieth century. Today, at the same place, there are people who are fleeing from some other wars and are looking for safety. In the ever-resounding cry, many families are separated.

Meticulously filmed, with a unique, warm distance between the filmmaker and the protagonists, the director sheds light on a refugee crisis exposing the hypocrisies of global politics, showing the best and the worst in human beings. For its bravery and a keen sense of solidarity combined with mesmerizing camerawork, the jury decided to give the main award to The Landscape and the Fury by Nicole Vögele.

 

Best Short Film

Crushed by Camille Vigny

Nominiert von Visions du Réel

Images and words only apparently dissonant make up a painful and disturbing diary from which emerges a non-idealised vision of love. Eros and Thanatos defy the natural instinct of survival: smashed car sheets become the metaphor of potentially wounded bodies, danger shows its dark fascination, the duel with death resolves itself in a state of exciting tension revealing the sometimes labile border between domination and submission, between love and obsession. For her audacity, her brilliant insight into the use of cinematic language, for her lucid elaboration of a personal trauma, the Doc Alliance Award 2024 for the Best Short Film goes to Crushed by Camille Vigny. 

 

Lobende Erwähnung

getty abortions by Franzis Kabisch

Nominiert von DOK Leipzig

Through extensive research and a carefully crafted audio-visual narrative, this film addresses the crucial impact of media on the way we perceive ourselves. It deconstructs the ideological assumptions behind the representations of a specifically female experience, diverting images from their initial purpose in order to find in them a new sense of openness and community. We would like to give a special mention to the short film getty abortions by Franzis Kabisch.