Sieben Personen stehen auf einer Bühne und halten Preisstatuetten in die Höhe. Im Hintergrund das Festivalmotiv von DOK Leipzig 2023: eine riesige Schere.
Susann Bargas Gomez

Die sieben Goldenen und zwei Silbernen Tauben der 66. Ausgabe von DOK Leipzig wurden am Samstag in der Leipziger Schaubühne Lindenfels vergeben.

Im Internationalen Wettbewerb Dokumentarfilm ging die Goldene Taube Langfilm an den Hommage-Gast Peter Mettler für „While the Green Grass Grows“. In dem filmischen Tagebuch betrachtet der schweizerisch-kanadische Filmemacher ausgehend von seinen eigenen Erinnerungen und Familienbeziehungen Lebenszyklen und den konstanten Wandel der Welt. „Ein unberechenbarer Film, der das Publikum durch die Qualität seiner Beobachtung alltägliche Ereignisse, Orte und Objekte in einem poetischen neuen Licht sehen lässt“, heißt es in der Jurybegründung. Die Goldene Taube ist mit 10.000 Euro dotiert und wird gestiftet vom Mitteldeutschen Rundfunk. Überreicht wurde der Preis durch Thomas Beyer, Dokumentarfilm-Redakteur beim MDR.

Die Goldene Taube Kurzfilm, verbunden mit 3.000 Euro, erhielt Bo Wang für „An Asian Ghost Story“ (Niederlande, Hongkong), eine Spurensuche, ausgehend vom 1965 erlassenen US-Embargo gegen „kommunistische“ Echthaar-Perücken aus Asien. „Ein smartes, hippes, komisches und handwerklich herausragend gemachtes Amalgam von Fakt und Fiktion“, so die Jury.

Die Gewinnerfilme der Goldenen Tauben im Internationalen Wettbewerb Dokumentarfilm qualifizieren sich für die Nominierung der jährlich vergebenen Academy Awards, vorausgesetzt sie erfüllen die Vorgaben der Academy.

Die Silberne Taube Langfilm, gestiftet von 3sat für den besten langen Dokumentarfilm eines Regietalents im Nachwuchsbereich, erhielt Hovhannes Ishkhanyan für die armenisch-französische Produktion „Beauty and the Lawyer“. „Ein Film, der eine intime Beziehung zu seinen Protagonist*innen aufbaut, die uns großzügig an ihrem Leben teilhaben lassen, während sie einen neuen Weg erfinden, mit einer homophoben Welt fertigzuwerden“, lobte die Jury. Johannes Dicke, Leiter der Programmplanung bei 3sat, überreichte den mit 6.000 Euro dotierten Preis dem Filmemacher.

Die mit 1.500 Euro dotierte Silberne Taube Kurzfilm für den besten kurzen Dokumentarfilm eines Regietalents im Nachwuchsbereich, gestiftet von der Sächsischen Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien, ging an „30 Kilometres per Second“ von Jani Peltonen (Finnland). In der Jurybegründung heißt es: „Ein Film, der Montage als Hauptstrategie nutzt und damit Potenziale für diese Art des Filmemachens aufzeigt.“ Den Preis überreichte Katja Röckel vom Medienrat der SLM.

Über die Preisträger*innen im Internationalen Wettbewerb Dokumentarfilm entschieden Jennifer Fox, Radu Jude, Marie-Pierre Macia, Steven Markovitz und Rima Mismar.

Im Internationalen Wettbewerb Animationsfilm ging die neu geschaffene Goldene Taube Langfilm, dotiert mit 3.000 Euro, an Xu Jingwei für „No Changes Have Taken In Our Life” (China), die Erzählung von einem Musiker, der nach seinem Hochschulabschluss vergeblich versucht, Arbeit zu finden. „Ein mutiger und herausfordernder Film, so spezifisch wie universal, so kritisch wie witzig, der das unbequeme Thema Eintönigkeit und Mangel an Perspektive angeht“, lobte die Jury.

Die Goldene Taube Kurzfilm in Verbindung mit 1.500 Euro, gestiftet vom Deutschen Institut für Animationsfilm e. V., erhielt Barbara Rupik für „Such Miracles Do Happen” (Polen). In der Jurybegründung heißt es: „Der Film nutzt auf herausragende Weise eine Art flüssiger Stop-Motion-Animationstechnik, die gleichzeitig unersetzbar und mit seinem Thema tief verbunden ist.“ Bei der Preisverleihung richtete Dr. Volker Petzold (1. Vorstand des DIAF) ein Grußwort an das Publikum.

Der Gewinnerfilm der Goldenen Taube Kurzfilm qualifiziert sich für die Nominierung der jährlich vergebenen Academy Awards, vorausgesetzt er erfüllt die Vorgaben der Academy.

Die Juror*innen Pavel Horáček, Anne Isensee und Irina Rubina sprachen zudem eine Lobende Erwähnung an Tomek Popakul und Kasumi Ozeki für den polnischen Animationskurzfilm „Zima“ aus.

Im Deutschen Wettbewerb Dokumentarfilm ging die Goldene Taube Langfilm an „Einhundertvier“ von Jonathan Schörnig, die Echtzeitdokumentation einer Seenotrettung auf dem Mittelmeer. „Das Filmteam und die Besatzung des Rettungsschiffes führen uns klar vor Augen, was das tägliche Wegschauen bedeutet. Sie zeigen aber auch, dass Hilfe möglich und nötig ist“, betonte die Jury. Der Preis ist dotiert mit 10.000 Euro, gespendet von Doris Apell-Kölmel und Michael Kölmel.

Die Goldene Taube Kurzfilm, in Verbindung mit 1.500 Euro, erhielt Franzis Kabisch für „getty abortions“ (Deutschland, Österreich), einen Desktop-Video-Essay, der untersucht, wie Medien das Thema Abtreibung illustrieren. „Der ausgezeichnete Film findet eine überzeugende zeitgenössische Form der Auseinandersetzung mit einem alten und zugleich wieder höchst aktuellen Thema“, so die Jury, bestehend aus Birgit Kohler, Claus Löser und Serpil Turhan.

Über die Goldene Taube im Publikumswettbewerb entschieden in diesem Jahr die Juror*innen Billie Bauermeister, Fritz Czaplinski, Anna Eulitz, Charlotte Hennrich und Annegret Weiß. Sie zeichneten Asmae El Moudir für ihren Dokumentarfilm „The Mother of All Lies“ (Marokko, Ägypten, Saudi-Arabien, Qatar) aus. Auf der Suche nach Erinnerungen an ihre Kindheit baut die Filmemacherin darin ihr Wohnviertel in Casablanca als kunstvolle Miniatur nach und stößt dabei auf ein Trauma der marokkanischen Geschichte. „Mit viel Eifer und Liebe zum Detail entsteht ein überraschendes Werk, das die Grenzen zwischen Fantasie und Realität auflöst“, lobte die Jury. Der Preis ist dotiert mit 3.000 Euro und wird anteilig gestiftet von der Leipziger Gesellschaft zur Förderung der Filmkunst e. V.

 

Partnerpreise für Dokumentar- und Animationsfilme aus den Wettbewerben

Bereits am Samstagnachmittag wurden in der Schaubühne Lindenfels zehn Partnerpreise verliehen.

Der DEFA-Förderpreis in Verbindung mit 4.000 Euro, gestiftet von der DEFA-Stiftung, ging an Julia Charakter für „Die Kinder aus Korntal“ (Deutschland).

Den MDR-Filmpreis in Höhe von 3.000 Euro für einen herausragenden osteuropäischen Dokumentarfilm erhielt Marianna Kaat für „The Last Relic“ (Estland, Norwegen).

Der Filmpreis Leipziger Ring ehrt einen Dokumentarfilm über Menschenrechte, Demokratie oder bürgerschaftliches Engagement, wird gestiftet von der Stiftung Friedliche Revolution und ist versehen mit einem Preisgeld von 2.500 Euro. Der Preis ging in diesem Jahr ex aequo an Jonathan Schörnig für „Einhundertvier“ (Deutschland) und Nantenaina Lova für „Where Zebus speak French“ (Frankreich, Madagaskar, Deutschland, Burkina Faso).

Der Dokumentarfilmpreis des Goethe-Instituts, dotiert mit 2.000 Euro und in Verbindung mit Ankauf der Lizenz und Untertitelung in acht Sprachen, ging ebenfalls an „Einhundertvier“ von Jonathan Schörnig.

„Einhundertvier“ erhielt außerdem den ver.di-Preis für Solidarität, Menschlichkeit und Fairness, verbunden mit 1.500 Euro, und damit mit insgesamt vier Preisen die meisten Auszeichnungen bei DOK Leipzig 2023.

Den Preis der Interreligiösen Jury, dotiert mit 2.250 Euro, erhielt Sarah Mallégol für „Kumva – Which Comes from Silence“ (Frankreich). Der Preis wird gestiftet von den VCH-Hotels Deutschland gemeinsam mit dem VCH-Hotel Michaelis in Leipzig sowie dem Interreligiösen Runden Tisch und dem Oratorium Leipzig.

Mit dem Preis der Internationalen Filmkritik (FIPRESCI Preis) wurde die südkoreanische Produktion „Universe Department Store” von Taewoong Won ausgezeichnet.

Den mephisto 97.6 Preis erhielt der kurze Animationsfilm „Compound Eyes of Tropical” von Zhang Xu Zhan (Taiwan).

Der Preis Gedanken-Aufschluss ging an Nele Dehnenkamp für ihren ersten langen Dokumentarfilm „For the Time Being“ (Deutschland). Die Auszeichnung wurde vergeben von einer Jury aus Strafgefangenen der Jugendstrafvollzugsanstalt Regis-Breitingen.

Im Rahmen der Branchenplattform DOK Industry wurden fünf Preise bereits in der Festivalwoche verliehen.

Insgesamt wurden bei DOK Leipzig 24 Preise vergeben. Bei der 66. Festivalausgabe waren 225 Filme und Extended-Reality-Arbeiten aus rund 60 Ländern in den Leipziger Spielstätten zu sehen. Der Eröffnungsfilm „White Angel – Das Ende von Marinka“ von Arndt Ginzel startet am 19. Oktober bundesweit in den Kinos.

Alle Jurybegründungen siehe pdf-Datei.

Alle Preise im Überblick: Auszeichnungen & Jurys