Die gezeichneten Selbstporträts von Anne Isensee und Michelle Brand, nur die Gesichter, nebeneinander in einer Collage.
DOK Leipzig 2023 | Selbstporträts von Anne Isensee (links) und Michelle Brand (rechts)

„Animation Perspectives“ – ein Werkstattgespräch, zwei künstlerische Arbeitsweisen

In seinen kuratierten Programmreihen zeigt DOK Leipzig auch außerhalb der Wettbewerbe künstlerische Positionen des Animationsfilms. Für die Reihe „Animation Perspectives“ konnten dieses Jahr die beiden vielfach ausgezeichneten Animationskünstlerinnen Anne Isensee und Michelle Brand gewonnen werden. Das dialogische Format besteht aus einem moderierten Werkstattgespräch, in dem sich die Filmemacherinnen gegenseitig ihr Werk und ihre Vision vorstellen. Dieser Live-Gedankenaustausch vor Publikum wird von einem virtuellen Ausflug in ihre Arbeitswelten und Ateliers begleitet und durch ein Programm mit ihren Filmen komplettiert.

„Am Anfang war die Linie“, schreibt der Kurator André Eckardt über die beiden Künstlerinnen. „Sie philosophieren mit der zeichnenden Hand sowie mit Animation. Sie entwickeln Perspektiven auf das Leben und wie sich dessen überraschende Wendungen und vorherbestimmte Zufälle künstlerisch einfangen lassen.“

Michelle Brands Arbeiten kreisen um Zeitlichkeit. Ganz ohne Text komponiert sie ihre Filme wie Variationen eines zentralen Themas in ihrem Werk. Verschiedene Momente des Zeitstroms finden in ihren Bildern zu Gleichzeitigkeit und Überlagerung. Körper in der Fußgängerzone wachsen für Augenblicke zusammen oder zersplittern zu abstrakten Gebilden. Brands Beschäftigung mit der Bildenden Kunst ist in vielen ihrer Filme präsent.

Anne Isensee arbeitet in ihrem Werk vor allem mit Reduktionen – meist schwarze Outlines auf weißem Hintergrund – und schärft damit den Blick der Zuschauer*innen auf die Dinge, die sie begreifbar machen will. Es geht um Haltung und Selbstbestimmung und die Schwierigkeiten auf dem Weg dahin. Eine Anleitung zum Leben wird nicht geliefert, aber dazu angestiftet, miteinander zu kommunizieren. Bei DOK Leipzig debütierte sie 2017 mit dem Kurzfilm „Megatrick“, für den sie die Goldene Taube erhielt.

 

Beyond Animation Zuhause zwischen Aufgehobenheit und Drohkulisse

„Zuhause – Grundriss, Aufriss & Leben“ unter diesem Titel präsentiert die Programmreihe „Beyond Animation“den Animationsfilm als ideales Medium, um den schwer fassbaren Ort „Zuhause“ darstellbar zu machen. „Zuhause“ ist soviel mehr als ein Ort auf der Landkarte. André Eckardt, der auch für diese Filmauswahl verantwortlich zeichnet, schreibt dazu: „Jedes Gefühl hat eine Verortung. Jedes prägende, berührende oder verletzende Erlebnis besitzt ein Irgendwo. Dieser Ort nennt sich oftmals und für die meiste Zeit ‚Zuhause‘.“

Die künstlerischen Mittel, welche die Animationskünstler*innen in den Filmen der Reihe „Beyond Animation“ einsetzen, um dieses „Irgendwo“ darzustellen, sind vielfältig. Sie reichen von digitalen Malereien und Überblendungstechniken, wie sie Jeremy Blake in seiner „Winchester“-Trilogie über das sagenumwobene Anwesen des gleichnamigen Waffenfabrikanten eingesetzt hat, bis zu Stop-Motion-Trickfilmen wie „Lemon Tree“ von Joana Silva, in dem das nachgebaute Modell des Zuhauses so lange manipuliert wird, bis ein bedrohlich ambivalentes Gefühl greifbar wird. Bei Marie-Hélène Turcotte sind es flirrende Zeichenstriche, die in „The Formation of Clouds“ das schleichende Entwachsen eines Mädchens von Zuhause visuell erfahrbar machen. In „Limits of Vision“ von Laura Harrison greifen die halluzinierend-rauschhaften Bilder einer Hausfrau das „Zuhause“ als ambivalenten Ort weiblicher Selbstbestimmung auf und bürsten gängige Assoziationen lustvoll gegen den Strich. „Die Architektur des „Zuhauses“ ist nicht funktional, sondern emotional“, bringt André Eckhardt es auf den Punkt. „Es wird mit Fantasie, Glück und Unglück gebaut.“

 

Die gesamte Filmauswahl von "Animation Perspectives" und "Beyond Animation" finden Sie in der PDF-Datei der Pressemitteilung (siehe oben)