In der Mitte des Bildes ist eine stark geschminkte Person mit markanten Gesichtszügen zu sehen. Sie trägt eine weißblonde Perücke mit Bob-Schnitt und schwarze Lack-Kleidung. Sie macht mit ernster Mine ein Selfie. Links und rechts von ihr stehen Personen, die mit Masken, Mundschutz und Kapuzen vermummt sind. Alles wirkt ein wenig unheimlich, rebellisch und kraftvoll.
DOK Leipzig 2022 | Anhell69 (Regie: Theo Montoya)

Die Preise der 65. Ausgabe von DOK Leipzig wurden am Samstag in der Leipziger Schaubühne Lindenfels vergeben. Nach der Festivalwoche wird eine Auswahl der Gewinnerfilme vom 24.10. bis 30.10. deutschlandweit online im DOK Stream zu sehen sein.

Die Goldene Taube im Internationalen Wettbewerb ging an Theo Montoya für „Anhell69“. Die Koproduktion aus Kolumbien, Rumänien, Frankreich und Deutschland porträtiert eine junge, queere Generation im von Gewalt und Repression geprägten Kolumbien, erzählt als ganz reale Geistergeschichte in stimmungsvollen Bildern. „Ein furioser filmischer Bewusstseinsstrom, genährt vom menschlichen Lust- und Todestrieb“, heißt es in der Jurybegründung. „Gleichzeitig Ode an eine vom Unglück verfolgte Stadt und Tribut an die eigene Gemeinschaft, nutzt der Film die Macht der Anpassungsfähigkeit und der Grenzübertretung, um die Welt mit Fluidität, Furchtlosigkeit und radikaler Dringlichkeit zu bewohnen.“ Über die langen Gewinnerfilme im Internationalen Wettbewerb entschieden Philippa Kowarsky, Lemohang Jeremiah Mosese, Shireen Seno, Ula Stöckl und Andrei Tănăsescu. Die Goldene Taube ist mit 10.000 Euro dotiert und wird gestiftet vom Mitteldeutschen Rundfunk. Überreicht wurde der Preis von Jana Brandt, Direktorin der MDR-Programmdirektion Halle.

Die Silberne Taube für den besten langen Dokumentar- oder Animationsfilm einer Nachwuchsregie im Internationalen Wettbewerb erhielt Faustine Cros für die belgisch-französische Produktion „A Life Like Any Other“, das Porträt einer Frau, die mit der Mutterrolle und ihren Anforderungen hadert. „Der Film versucht, den Schmerz einer Familie zu verstehen, und gibt so dem Urschrei von Frauen, Ehefrauen und Müttern überall eine Stimme“, so die Jury. Gestiftet wurde der mit 6.000 Euro dotierte Preis von 3sat. Johannes Dicke, Leiter der Programmplanung bei 3sat, überreichte den Preis der Filmemacherin.

Im Internationalen Wettbewerb Kurzfilm entschieden Diana Cam Van Nguyen, Rocco Di Mento und Tina Smrekar über die mit jeweils 3.000 Euro dotierten Goldenen Tauben sowie über die neu geschaffene Silberne Taube, dotiert mit 1.500 Euro. Als bester Dokumentarfilm ausgezeichnet wurde „Will You Look at Me“ von Shuli Huang. Der Film zeigt, wie der Lebensentwurf des queeren Filmemachers auf die Erwartungen der Mutter und der chinesischen Gesellschaft prallt. Den Preis für den besten Animationsfilm erhielt Marta Magnuska für ihren Film „Misaligned“, der mittels einer minimalistischen, vibrierenden Schwarz-Weiß-Animation Szenen einer Ehe darstellt.

Die Silberne Taube für den besten kurzen Dokumentar- oder Animationsfilm einer Nachwuchsregie, gestiftet von der Sächsischen Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien (SLM), erhielt der südkoreanische Animationsfilm „Persona“ von Sujin Moon über Schönheitsideale und den Zwang, ins Bild zu passen. Der Präsident des SLM-Medienrates Prof. Dr. Markus Heinker war bei der Preisverleihung anwesend und hielt ein Grußwort.

Die Gewinnerfilme der Goldenen Tauben in den Internationalen Wettbewerben für Lang- und Kurzfilme qualifizieren sich für die Nominierung der jährlich vergebenen Academy Awards®, vorausgesetzt sie erfüllen die Vorgaben der Academy. Lobende Erwähnungen der Jurys erhielten Matthias Joulaud und Lucien Roux für ihren dokumentarischen Kurzfilm „Ramboy“ sowie Sasha Kulak für den langen Dokumentarfilm „A Hawk as Big as a Horse“.

Im Deutschen Wettbewerb wurde die Filmemacherin Sönje Storm für „Die toten Vögel sind oben“ mit der Goldenen Taube (3.000 Euro) ausgezeichnet. In dem Dokumentarfilm öffnet Storm den Nachlass ihres Urgroßvaters Jürgen Friedrich Mahrt. Der Landwirt und Naturkundler dokumentierte mit Hilfe von Fotografie und Taxidermie die lokale Flora und Fauna und beobachtete dadurch schon im frühen 20. Jahrhundert das Artensterben sowie Vorboten der heutigen Klimakrise. „Bildkomposition, Sounddesign und Schnitt verschmelzen zu einem in sich stimmigen Kunstwerk, in dem sich der dramatische Wandel der Natur ebenso spiegelt wie der fatale Einfluss des Menschen auf seine Umwelt“, so die Juror*innen Andreas Kötzing, Sabine Rollberg und Marie Wilke.

Die Silberne Taube im Deutschen Wettbewerb Kurzfilm, verbunden mit einem Preisgeld von 1.500 Euro und gestiftet von IG Metall Leipzig, ging an Jonathan Brunner für „Border Conversations“, ein Film, der polnische Aktivistinnen im Grenzgebiet zwischen Belarus und Polen im Winter 2021 begleitet.

Im Wettbewerb um den Publikumspreis ging die Goldene Taube in Verbindung mit 3.000 Euro an „Drei Frauen“ von Maksym Melnyk. In dem Film dokumentiert Melnyk anhand der Begegnungen mit drei selbstbestimmten Frauen das Landleben im ukrainischen Stuschyzja nahe der EU-Grenze. „Dieser Film schenkt uns Bilder von Lebensfreude und Leichtigkeit. Bilder, die wir aus diesem Land aktuell nicht oft sehen. Er schafft Verbindungen und eint Menschen durch die Leinwand hindurch“, heißt es im Statement der Publikumsjury.

Die Silberne Taube erhielt Olesya Shchukina für die russisch-französische Produktion „Lada, Ivan’s Sister“. Der animierte Dokumentarfilm erzählt von der Transition einer Frau, die in einem biologisch männlichen Körper zur Welt kam. Der Preis in Verbindung mit 1.500 Euro wurde gestiftet von der Leipziger Gesellschaft zur Förderung der Filmkunst e.V. Bei der Preisverleihung wurde der Verein durch Christiane Wilhelm repräsentiert, die ein Grußwort an das Publikum richtete.

Die Publikumsjury bildeten dieses Jahr die Filmfans und Festivalfreund*innen David Chazarenc, Margherita Gallano, Erik Laube, Paula Mecklenburg, Annegret Meder und Barbara Tennstedt.

 

Partnerpreise für Dokumentar- und Animationsfilme aus den Wettbewerben

Bereits am Samstagnachmittag wurden in der Schaubühne Lindenfels neun Partnerpreise verliehen.

Der DEFA-Förderpreis in Verbindung mit 4.000 Euro, gestiftet von der DEFA-Stiftung, ging an Maksym Melnyk für „Drei Frauen“.

Den MDR-Filmpreis in Höhe von 3.000 Euro für einen herausragenden osteuropäischen Dokumentarfilm erhielt Marek Kozakiewicz für „Silent Love“. Der Film erzählt von einer Frau, die in einem konservativen Teil Polens versucht, das Sorgerecht für ihren Bruder zu erhalten und zusammen mit ihrer Lebenspartnerin ein alternatives Familienmodell zu leben.

Der Filmpreis Leipziger Ring ehrt einen Dokumentarfilm über Menschenrechte, Demokratie und bürgerschaftliches Engagement, wird gestiftet von der Stiftung Friedliche Revolution und ist versehen mit einem Preisgeld von 2.500 Euro. Der Preis ging in diesem Jahr an „König hört auf“ von Tilman König über seinen Vater, den ehemaligen Jenaer Pfarrer und linken Aktivisten Lothar König.

„König hört auf“ erhielt außerdem den ver.di-Preis für Solidarität, Menschlichkeit und Fairness, verbunden mit 1.500 Euro.

Der Young Eyes Film Award, dotiert mit 2.000 Euro und gestiftet von der Leipziger Stadtbau AG, ging an „Blauer Himmel Weiße Wolken“ von Astrid Menzel. Die Filmemacherin nimmt darin ihre demenzkranke Großmutter mit auf eine Kanufahrt über norddeutsche Gewässer. Vergeben wurde die Auszeichnung von der Jugendjury in Kooperation mit der Filmschule Leipzig e.V.

Den Preis der Interreligiösen Jury, dotiert mit 1.750 Euro, erhielt „A Life Like Any Other“ von Faustine Cros. Der Preis wird gespendet vom Interreligiösen Runden Tisch Leipzig, dem Oratorium zu Leipzig und den VCH-Hotels Deutschland GmbH – im Verband Christlicher Hoteliers e. V. einschließlich des Hotels MICHAELIS Leipzig.

Mit dem Preis der Internationalen Filmkritik (FIPRESCI Preis) wurde „One Mother“ von Mickaël Bandela ausgezeichnet, eine autobiografische, visuell einfallsreiche Studie des Erwachsenwerdens in einer Pflegefamilie.

Den mephisto 97.6 Preis erhielt „Sliver Cave“ von Caibei Cai. In dem Kurzfilm verschmelzen bizarre Animationen auf einer Metallplatte mit Free-Jazz-Klängen.

Der Preis Gedanken-Aufschluss ging an „Yonii“ von Julius Gintaras Blum, das Porträt eines Schauspielers und Rappers mit schwäbisch-marokkanischer Identität. Die Auszeichnung wurde vergeben von einer Jury aus Strafgefangenen der Jugendstrafvollzugsanstalt Regis-Breitingen.

 

Auszeichnungen im Rahmen von DOK Industry

Im Rahmen der Branchenplattform DOK Industry wurden sechs Preise bereits in der Festivalwoche vergeben.

Verliehen im DOK Co-Pro Market:

Sächsischer Preis für das beste Dokumentarfilmprojekt einer Regisseurin (dotiert mit 5.000 Euro): „A Bit Of A Stranger“ von Svitlana Lishchynska (Ukraine)
Preisstifter: Sächsisches Staatsministerium für Wissenschaft, Kultur und Tourismus

Current Time TV Award (dotiert mit 1.500 Euro): „Blum” von Jasmila Žbanić (Bosnien und Herzegowina, Kroatien, Deutschland)
Preisstifter: Current Time TV

The EWA Diverse Voices Award (dotiert mit 1.000 Euro, einer einjährigen Mentorinnenschaft durch DOK Leipzig und einer EWA-Mitgliedschaft): „In the Light of Darkness” (Indien)
Preisstifter: EWA – European Women’s Audiovisual Network

Unifrance Doc Award (in Verbindung mit Untertitelungsservices durch TitraFilm und eine Unifrance-Mitgliedschaft für den/die französische Produzent*in):Under the Dance Floor“ von Sára Timár (Ungarn, Frankreich)

Verliehen bei DOK Preview Germany:

D-Facto Motion Works-in-Progress Prize (Sachleistung im Wert von 10.000 Euro): „300 Trillion“ von Rudolph Herzog (Germany)
Preisstifter: D-Facto Motion GmbH

Verliehen bei DOK Short n‘ Sweet:

Square Eyes Festival Consultation Award (für eine Festivalstrategieberatung durch Square Eyes): „The Art of Detaching One's Memory” von Jan Carlo Natividad (Philippinen)
Preisstifter: Square Eyes

 

Insgesamt wurden bei DOK Leipzig 24 Preise vergeben. In der Festivalwoche waren 255 Filme und Extended-Reality-Arbeiten aus 55 Ländern in den Leipziger Spielstätten zu sehen.

Nach dem Festival sind vom 24.10. bis 30.10.2022 elf ausgezeichnete Filme deutschlandweit online im DOK Stream zu sehen, darunter sechs Gewinner Goldener und Silberner Tauben. Die Filme im DOK Stream sind „Die toten Vögel sind oben“, „A Hawk as Big as a Horse“, „One Mother“, „Drei Frauen“, „Silent Love”, „Misaligned“, „Sliver Cave“, „Border Conversations“, „Lada, Ivan’s Sister“, „Will You Look at Me“ und „Yonii”. Der Online-Ticketverkauf startet am Montag, dem 24.10., um 10 Uhr. Der Ticketpreis pro Langfilm bzw. Kurzfilmrolle beträgt 5 Euro.

Der Gewinnerfilm im Internationalen Wettbewerb „Anhell69“ wird 2023 bundesweit in den Kinos starten.

Informationen zu den Preisträger-Filmen finden Sie hier: Programm & Tickets

Alle Jurybegründungen und Preise inkl. Lobende Erwähnungen entnehmen Sie der PDF-Version dieser Pressemitteilung.