Bereits zum siebten Mal wird DOK Neuland im Rahmen von DOK Leipzig erfahrbar sein. Vom 26. bis 31. Oktober werden im Museum der bildenden Künste in Leipzig insgesamt zehn Produktionen aus 15 Ländern präsentiert, darunter vier 360°-Filme und sechs VR-Arbeiten. Ausgehend von der Beobachtung, dass die Pandemie weltweit die gewohnte Ordnung durcheinandergebracht hat, wirft die Ausstellung die Frage auf, welches Potenzial dem Chaos innewohnt.
„Wir konnten im letzten Jahr beobachten, dass die Sehnsucht nach Übersicht und Kontrollierbarkeit immer größer wurde“, so die Kurator*innen Lars Rummel und Marie Hinkelmann. „Doch die Welt ist ohnehin in einem ständigen Transformationsprozess und so mussten wir feststellen, dass der herbeigesehnte scheinbare Normalzustand die größte Illusion unserer Realitäten ist.“
Die Klimakrise, die Verlagerung von Lebensrealitäten ins Digitale, die veränderten Beziehungen zwischen Mensch, Maschine und Natur im Posthumanismus und die ungleichen globalen Lebensverhältnisse verlangen der Menschheit einiges ab – so die These der Ausstellung. Manches scheine unkontrollierbar und unberechenbar, doch ohne Chaos wäre auch das Gegenteil nicht erkennbar: die Bequemlichkeit der Ordnung. „Wir wollen die Realitäten nicht verneinen oder wegsehen, dennoch kann sich jede Dystopie zu einer Utopie aufschwingen. Denn wo das Ungewisse herrscht, liegt auch das Potenzial für neue kreative Energien und die Entwicklung von Resilienz,“ so Lars Rummel weiter. „Wir haben daher Arbeiten ausgewählt, die sich auf das Unbekannte und Ungeplante beziehen. Damit versuchen wir allerdings nicht, das Chaos zu bändigen. Mit dem Slogan ‚No Chaos, no change‘ wollen wir es vielmehr annehmen und als Möglichkeit begreifen, neue Strategien zu entwickeln, um der Welt zu begegnen.“
In Zusammenarbeit mit der Künstlerin Paula Gehrmann ist eine Szenografie entstanden, die den Ausstellungsraum zu einem Erfahrungsort macht, an dem Besucher*innen ihre individuelle Beziehung zum Chaos überprüfen können.
Die Ausstellung ist in drei Teile gegliedert: Im ersten, der sich unter dem Titel „Present Chaos“ fassen lässt, findet mit drei 360°-Filmen eine Bestandsaufnahme statt. Revelation 360 von Reed O’Beirne fragt nach, was der digitale Raum, in dem wir uns bewegen, eigentlich ist. Wir werden herausgefordert, unsere Fantasie zu benutzen, um mehr zu sehen, als gezeigt wird. Reeducated rekonstruiert mittels Animationen die Erinnerungen von drei Männern, die in einem Umerziehungslager in der chinesischen Region Xinjiang politische Indoktrination und Folter ertragen mussten. Wie die Pandemie die menschlichen Beziehungen verändert hat und den Alltag von Menschen ins Digitale und gleichzeitig in die Einsamkeit führt, collagiert der Essayfilm Handwritten.
Im zweiten Teil mit dem Titel „Transformation“ konfrontiert die VR-Arbeit Infomorph das Publikum mit einer künstlichen Intelligenz, die den Übergang ins Digitale erleichtern soll. Text, Bild und Sound wurden mittels Algorithmen generiert und führen in ein spekulatives Szenario, in dem eine analoge Welt weder möglich noch nötig ist. Ausgehend von der Dystopie, dass die zerstörte Erde keinen Lebensraum mehr bietet, führt die VR-Arbeit Samsara das Publikum ins Weltall. Doch dort ist Zeit nur eine Illusion, das Bewusstsein der Menschen wird zur kollektiven Erfahrung, ihre DNA zu neuen Lebensformen modifiziert und ein Kreislauf endloser Reinkarnation beginnt. Auch They Dream in My Bones (Insemnopedy II) setzt sich mit der Prägung des Menschen durch seine DNA auseinander. Der 360°-Film erzählt die Geschichte eines fiktiven Forschers, der versucht, Träume aus einem Skelett zu extrahieren und stellt dabei das herkömmliche Verständnis von Geschlecht und Identität infrage.
Der dritte Themenkomplex „Beyond Chaos“ steuert ein weiteres Narrativ bei. In den vier Arbeiten werden Hierarchien umgekehrt und Transformationsprozesse beleuchtet. Die Multiplayer-VR-Erfahrung Atomu lädt ein, einem Ritual der Kikuyu-Community in Kenia beizuwohnen, bei dem ein Mann zur Frau und eine Frau zum Mann werden kann. Dabei folgt sie einer Person ohne Geschlecht auf der Suche nach der ehrlichsten Version ihrer selbst. Auch die VR-Arbeit Kykeon ist inspiriert von rituellen Praktiken. Hierbei werden Tanz und VR-Technologie kombiniert, um in alten Riten verschiedener Kulturen sinnstiftendes Potenzial für zukünftige Gesellschaften zu erforschen. Hush nimmt das Publikum mit auf eine meditative Reise in die nordische Mythologie. Während sich die Welt auflöst, werden die Besucher*innen in der VR-Erfahrung in ein verloren gegangenes Universum unter Wasser geführt. Zum Abschluss macht Tangible Utopias: Urban Futurism fantastische und fantasievolle Lebensräume begehbar. Es schafft eine begehbare Stadt-Utopie, die auf der Fantasie von 250 Kindern basiert.
Die Ausstellung ist bei freiem Eintritt von Dienstag bis Sonntag von 12.00 Uhr bis 18.00 Uhr und am Mittwoch bis 20.00 Uhr geöffnet. Darüber hinaus haben Fachakkreditierte am Dienstag und von Donnerstag bis Sonntag zwischen 10.00 Uhr und 12.00 Uhr zusätzlich die Möglichkeit, DOK Neuland zu besuchen. Es gelten die Zugangsregelungen des MdbK. Die Buchung eines Zeitfensters ist in diesem Jahr nicht nötig. Der Einlass erfolgt über den Eingang des Museums.
Seit der ersten Ausgabe wird DOK Neuland von ARTE unterstützt. Neue digitale Technologien für innovative Erzählweisen zu nutzen, ist dem europäischen Kulturkanal ein wichtiges Anliegen. DOK Neuland wird unterstützt durch MDR Media. DOK Neuland ist Bestandteil des DOK-Nachwuchs-Angebotes und wird in Kooperation mit der SLM realisiert. Die Räumlichkeiten werden wie in den vergangenen Jahren vom MdbK zur Verfügung gestellt. DOK Leipzig dankt außerdem dem US-amerikanischen Konsulat in Leipzig für die Unterstützung und Sennheiser für die Kopfhörer. In diesem Jahr wird DOK Neuland von HTC Vive unterstützt. Über die Plattform Viveport werden die VR-Erfahrungen vom 26.10. bis 14.11. weltweit online mit dem eigenen Headset bequem von zu Hause aus verfügbar sein.
Die Übersicht der zehn Extended-Reality-Arbeiten finden Sie hier: DOK Neuland 2021
Den Trailer von DOK Neuland finden Sie hier: DOK Neuland Trailer