Still aus dem Animationsfilm Flee: Ein Mann sitzt auf einer Fensterbank und kratzt sich nachdenklich mit einer Hand am Kopf. Hinter ihm ist die Silhouette einer Großstadt mit mehreren Hochhäusern zu sehen.
DOK Leipzig 2021 | Flee (Regie: Jonas Poher Rasmussen)
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Insgesamt 20 Filme aus 21 Ländern sind in den Wettbewerben um den Publikumspreis langer Dokumentar- und Animationsfilm und den Publikumspreis kurzer Dokumentar- und Animationsfilm vertreten, darunter zwei Welt- und vier internationale Premieren. Die Langfilme konkurrieren um eine Goldene, die Kurzfilme um eine Silberne Taube.

Viele der Filme nähern sich aktuellen politischen Themen aus unterschiedlichen Zugängen und in diversen ästhetischen Formen, etwa bei der Auseinandersetzung mit der Organisation „Breaking the Silence“ in Israel und Palästina (The Good Soldier) und deren polarisierender Rolle im Nahostkonflikt. Fluchterfahrungen werden in den Blick genommen, so aus der Perspektive von Kindern im Animationsfilm Die Odyssee oder im animierten Dokumentarfilm Flee, einer Erzählung über den langen Weg eines Mannes von Afghanistan über viele Stationen bis nach Dänemark. In Our Memory Belongs to Us rekapitulieren syrische Aktivisten von Paris aus anhand von Video-Clips ihre Erfahrungen im syrischen Bürgerkrieg. Eine Fluchterfahrung außerhalb von Europa thematisiert Lo que queda en el camino mit der herausfordernden Reise einer vierfachen Mutter aus Mittelamerika in Richtung der Grenze zwischen den USA und Mexiko.

Verschiedene Filme fokussieren persönliche Schicksale, so etwa auch 98 kg, in dem häusliche Gewalt thematisiert wird, oder die berührende Animation Es ist genau genug Zeit von Virgil Widrich, der das filmische Daumenkino seines Sohnes Oskar Salomonowitz nach dessen Tod vollendete. Eine Familiengeschichte zeigt sich auch in Love, Dad, in dem eine junge Frau auf einen vor 15 Jahren im Gefängnis verfassten Brief ihres Vaters stößt und sich seiner Beantwortung widmet. Nikola Ilić präsentiert mit Dida ein einfühlsames Portrait seiner Mutter, einer charmanten älteren Dame aus Serbien, in Ko-Regie mit seiner Frau Corina Schwingruber Ilić, die 2018 mit All Inclusive im Internationalen Wettbewerb Kurzfilm vertreten war.

Die Wettbewerbe um die Publikumspreise versammeln einige Filme mit heiteren Zugängen und Erzählweisen, etwa die True-Crime-Geschichte For a Fistful of Fries. Boris Missirkov und Georgi Bogdanov nehmen mit The Cars We Drove into Capitalism die Leidenschaft für Autos aus sozialistischer Produktion unter die Lupe. Das Regieteam war schon 2018 mit Palace for the People bei DOK Leipzig. Der voyeuristisch angelegte Film The Balcony Movie von Paweł Łoziński, der seit 2009 mit Filmen bei DOK Leipzig vertreten ist, führt zwangsläufig zu komischen Momenten. Der Filmemacher richtet seine Kamera vom Balkon auf die Straße und interagiert mit Passant*innen. Garages, Engines & Men von Claire Simon, die 2016 mit The Graduation am Festival teilnahm, erzählt humorvoll von den Alltagsdramen in einer Autowerkstatt auf dem französischen Land.

Das Leben am und im Fluss greift Fluid Life auf, ein poetisches Portrait einer Frau, die ein Frachtschiff zu einem Hausboot auf der Moldau umgebaut hat. In Shallow Water spielt sich ebenfalls am Wasser ab. Das Bild der Idylle vom Fischfang in der ostslowakischen Winterlandschaft ist trügerisch, denn Gefängnisinsassen fristen damit ihren Alltag. The Gray Shrimp Report wiederum blickt auf die Hinterlassenschaften des Zweiten Weltkriegs auf dem Meeresgrund vor der belgischen Küste, wo 35.000 Tonnen chemischer Munition bis heute begraben sind und über Umwege in Delikatessen landen.

Eine weitere filmische Auseinandersetzung mit dem Ökosystem Erde und der Natur ist 0.2 Milligrams of Gold. Anlässlich eines neuen Goldrauschs in brasilianischen Wäldern, setzt Filmemacher Diego Quinderé de Carvalho diese mit ihrem übersichtlicheren Pendant in Belgien in den Vergleich. Ausgehend von der Beobachtung, dass Tiere frei von Gendernormen ihre Sexualität ausleben, betrachtet der Animationsfilm In Nature die vielseitigen Beziehungsformen, die sich in der Fauna entwickeln.

To Pick a Flower nutzt Fotografien, um sich mit der US-amerikanischen Kolonialherrschaft auf den Philippinen auseinanderzusetzen. Den Aufnahmen der reichen Flora der Insel, festgehalten aus der Perspektive der Mächtigen, ist gleichzeitig die Klassifizierung und Aneignung als Ressource eingeschrieben. Madrid, Bad Life blickt auf die Ausgegrenzten und Widerspenstigen in der spanischen Hauptstadt um 1900 und damit auf die Gesellschaftsstruktur rund um alle, die als Außenseiter*innen trotzdem sichtbar zum Alltag der Stadt gehörten.

Die Publikumsjury, die am 30. Oktober im Rahmen der Preisverleihung die Preisträger*innen bekannt gibt, bilden in diesem Jahr Lara Hübelt, Pauline Reinhardt, Lisa Marie Rothe, Sarah Schreiner, Paula Schumann, Aviv Sheyn und Alfonso de Toro.

Die Silberne Taube kurzer Dokumentar- und Animationsfilm wird gestiftet von der Leipziger Gesellschaft zur Förderung der Filmkunst e.V.

Die Filmübersicht finden Sie hier: Wettbewerbe um den Publikumspreis DOK Leipzig 2021